Polemischer Ausdauerkampf im Dresdner Amtsgericht: Von 9 bis gegen 17.30 Uhr dauerte am Montag der fünfte Prozessakt gegen zwei freie Leipziger Journalisten – und dennoch wurde es guter Tag für den freien Journalismus in Sachsen, denn mindestens zwei der drei von der Dresdner Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen konnte zur Erhellung und damit der Entlastung beitragen. Der Dresdner Korrespondent des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL gab an, den Artikel, in dem nur der arteigene Einstieg und dass Wort „Geschäftsfreund“ (in einer vagen Zuweisung im Konjunktiv) strittig ist, komplett selbst geschrieben und verantwortet zu haben. Auch sei die spiegelinterne Prüfung durch Ressortleitung, Dokumentationsabteilung und Rechtsabteilung vor der Veröffentlichung ordentlich verlaufen, wobei letztere mit vier bis fünf Volljuristen gut ausgestattet und laut Verteidiger Ulf Israel sogar „legendär“ sei. Die Beklagten hätten nur mit Recherchevorleistungen und Kontakten gedient, eigentliche Quelle seien andere Protokolle, vor allem die von aktuellen Vernehmungen gewesen. Dass deren Namen mit dem seinigen unter dem Artikel stehen, wäre üblich und ein Akt der Fairness. Das Verfahren gegen ihn sei mit einer veröffentlichen Korrektur und einer Geldauflage, die der SPIEGEL bezahlte, eingestellt.
Ein Kriminalhauptkommissar, der vor kurzem im Landtag vor dem Untersuchungsausschuss aussagen musste und damals, anno 2000, mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde von einem der nebenklagenden Ex-Richter, die sich mit beiden Artikel verleumdet sehen, im Berufsleben durchaus erschüttert wurde, gab an, dass durchaus mit weiteren Fotos als denen, die der Ermittlungsakte beigelegt wurde, gearbeitet wurde – aber ohne jede Treffer. Dies sei ein Fehler gewesen. Die beiden Journalisten habe er zum ersten Mal vor zwei Wochen gesehen – und die Strafanklage seitens des Leipziger Polizeipräsidenten gegen sie weder veranlasst noch gutgeheißen.
Der zweite Verteidiger, Steffen Soult, zeigte sich nach dem Verhandlungsmarathon zuversichtlich: „Meiner Ansicht nach ist die rechtliche Seite des Falls klar – unser Ziel heißt Freispruch.“ Bedenken hat er nur bezüglich der politischen Komponente, die dem Fall offenbar innewohne, die er aber weder beurteilen noch bearbeiten könne. Gut ist, dass das Medieninteresse am Fall sukzessive zunimmt – etliche Kollegen haben die Brisanz des Prozessausgangs für die Zukunft der Pressefreiheit in Sachsen offenbar erkannt und sind an einer kontinuierlichen Dokumentation des Falles interessiert. Auch der DJV-Bundesvorstand signalisierte am Freitag per Pressemitteilung Unterstützung und warnte vor einer Welle von Anklagen als Retourkutsche gegen Berichte über den so genannten „Sachsensumpf“ und prangerte das „repressive Vorgehen“ der Staatsanwaltschaft an.
Unklar blieb bislang, warum es ohne die üblichen presserechtlichen Schritte gegen die Veröffentlichung – die (samt SPIEGEL-Korrektur) aufgrund dessen alle noch verfügbar sind – sofort zu einem Strafprozess kam. Aber auch profunde Medienrechtler hätten ihren Spaß – nicht nur an den beklagten Passagen. Spannend wird es wieder am 26. Mai, dem nächsten richtigen Verhandlungstag. Dort könnte schon eine Entscheidung fallen – es sei denn, es passiert überraschendes. Auch das sei nicht ausgeschlossen, zeigten sich Prozessbeteiligte optimistisch.
AH
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