Positive Aspekte einer Verurteilung

Eigenwilliger Schlusspunkt eines eigenwilligen Prozesses am Amtsgericht Dresden.

Die Ehre zweier Polizisten, die auf keinen Fall Strafanzeige stellen wollten, wurde vorerst gesühnt. Trotz expliziter Aufforderung durch jene Staatsanwaltschaft, die einst ihre Ermittlungen schnell einstellte, dafür kritisiert wurde und nun mittels „Verfahren als Strafe“ – wie es der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle formulierte und den heutigen Umgang mit den Vorgängen als „den eigentlichen Sachsensumpf“ bezeichnete – zurückschlägt, hatten sie offenbar keinerlei Interesse daran. Erst ihr Dienstherr, der damals neue Leipziger Polizeipräsident, habe nach einem Anruf aus dem sächsischen Innenministerium Strafantrag gestellt. Ein Fall von Obhut.

Die Frage, ob jene Polizisten vielleicht unter Druck gerieten, weil ein einflussreicher Richter – in Dresden Nebenkläger – Dienstaufsichtsbeschwerde erhob, wertete der Vorsitzende Richter, Hermann Hepp-Schwab, als Tatsachenbehauptung und verurteilte die beiden freien Leipziger Journalisten zu einer Geldstrafe von je 50 Tagessätzen a 50 Euro. Er warf ihnen mangelnde Sorgfaltspflicht und fehlende Quellenangaben vor und verurteilte sie wegen übler Nachrede für jenen Beitrag in „Zeit Online“ im Juni 2008. Im offiziellen Juristendeutsch des Amtsgerichtes heißt es: „Soweit jedoch in vermeintlicher Frageform tatsächlich die Behauptung aufgestellt worden sei, die Polizisten seien durch eine Dienstaufsichtsbeschwerde eines Richters in ihren Ermittlungen beeinflusst worden, habe sich diese Behauptung in der Beweisaufnahme nach Überzeugung des Gerichts als unzutreffend herausgestellt. Der in der Behauptung liegende Vorwurf, die Polizisten hätten sich zu einer Strafvereitelung im Amt bewegen lassen, sei als ehrenrührige Tatsachenbehauptung Grund für den insoweit erfolgten Schuldspruch wegen übler Nachrede.“

Niveau der Begründung macht Mut

Den Tatvorwurf der Verleumdung und der Beihilfe zu möglicherweise ehrverletzenden Äußerungen in einem anderen Artikel für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sah er nicht bestätigt, weil er eine Tatbeihilfe nicht nachweisen könne. Hier erfolgte ein Freispruch mit folgender Begründung: „Dabei geht das Gericht zwar von einer strafbaren Tatsachenbehauptung zum Nachteil der beiden Richter aus, es hat indes für die beiden Journalisten eine eigene Tatbeteiligung an der Anfertigung der fraglichen Passage des veröffentlichten Beitrags im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ trotz belastender Anzeichen im Ergebnis nicht festgestellt. Wesentlich sei hierbei, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der dritte Verfasser, ein „Spiegel“-Redakteur, nicht widerlegbar die Verantwortung für die vorgeworfenen Tatsachenbehauptungen trage und den Angeklagten eine strafrechtliche Verantwortung neben oder mit dem „Spiegel“-Redakteur nicht nachweisbar sei.“

Dafür wurden bislang 14 Prozesstage gebraucht – beide Angeklagten bekundeten ihre Unschuld und kündigten vor mehr als 40 Kollegen, viele im Dienst, einige in Solidarität, noch im Gerichtssaal Rechtsmittel gegen das Urteil an – ob Berufung oder Revision wird nach der schriftlichen Urteilsbegründung entschieden. Arndt Ginzel:  „Wir lassen uns von diesen Leuten nicht einschüchtern und gehen notfalls bis zum letzten Instanz.“ Steffen Soult, Verteidiger von Thomas Datt, kommentierte das Urteil süffisant: „Wenn – wie in diesem Falle geschehen – die besten Medienrechtler Deutschlands nicht ausreichten, um die Texte juristisch sicher zu prüfen, könnten Journalisten ihre Fragen künftig weder öffentlich stellen noch diese als solche veröffentlichen.

Eine Woche zuvor hatten die beiden Angeklagten bei ihren Schlussworten noch einmal auf die zahlreiche „Merkwürdigkeiten“ hingewiesen: Es gab keine Versuche, presserechtlich gegen die angeklagten Passagen vorzugehen: Beide Artikel sind heute noch im Netz frei zugänglich. Gegen den heutigen Präsident des Amtsgerichts, damals Staatsanwalt in Leipzig, wurde wegen ebenjener Affäre ermittelt – er wurde justament Anfang August vom Land Sachsen offiziell rehabilitiert. Sie verwiesen auf rund einhundert andere seither eingeleitete Verfahren durch die beiden von ihnen kritisierten Staatsanwälte, davon ein Fünftel gegen Journalisten.

 Positive Zeit-Zeugen-Meinung und Angst um mutige Frauen 

Ein Pluspunkt im Prozess – neben der wohl nunmehr indirekt erwiesenen Richtigkeit aller nichtinkrimierten Textstellen in beiden Artikeln – die Aussagen der beiden „Zeit“-Zeugen vor Gericht: Der verantwortliche Online-Redakteur habe immer noch uneingeschränktes Vertrauen zu den Angeklagten und ihren Fähigkeiten und der Justitiar des Hauses würde eben jenen Artikel heute noch genauso drucken lassen. Positiv zu sehen ist auch – neben dem, mit den Worten Soults, „ermutigenden Niveau der Urteilsbegründung“, die gute Chancen bei weiteren Instanzen verheiße – die mit dem Prozessverlauf wachsende deutschlandweite Publizität des Falles, die in einer wahren  Beitragswelle vor und nach dem Urteil mündete. Sie wird wohl, zusammen mit dem neuen Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag, per nachhaltigen Recherchen ein neues Licht auf alte und junge sächsische Sumpfblüten in Politik, Wirtschaft, Polizei und Justiz werfen. Vielleicht also genau das Gegenteil der einstigen Absicht bewirken.

Auch die Vernetzung verschiedener Organisationen – und sei es zumindest per Querlesen – scheint nicht schädlich: Neben dem DJV hatten auch der Verband Sächsischer Zeitungsverleger und die Journalistenorganisationen „Netzwerk Recherche“ und „Reporter ohne Grenzen“ sich mit Erklärungen solidarisiert und Freispruch im Namen der Pressefreiheit gefordert. Arndt Ginzel schaut aber noch weiter voraus: „Ich denke mit Sorge an den Verleumdungsprozess gegen unsere beiden Zeuginnen in diesem Haus hier. Sie sind bei unseren gesamten Recherchen zum Sachsensumpf als die glaubwürdigsten und mutigsten Beteiligten aufgetreten. Und sie sagen heute genau dasselbe wie 1993.“ Er hofft, dass diese dann die gleiche Resonanz und größtenteils faire Berichterstattung erfahren wie sie selbst. Denn die Vorzeichen seien ähnlich schlecht: Der Befangenheitsantrag, den der beauftragte Richter wegen der Konstellation gegen sich selbst stellte, wurde abgelehnt.

 AH

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