Es ist seit Jahren der fachlich dichteste Journalistenkongress Deutschlands, den Netzwerk Recherche im Hamburger NDR-Konferenzzentrum als sogenannte Jahreskonferenz anbietet. So auch 2014: Fast 600 Leute konnten an zwei Tagen unter einhundert einzelnen Veranstaltungsangeboten mit 200 Referenten wählen. Zu diesen kamen noch rund 80 Helfer, die ebenso wie alle Akteure echt ehrenamtlich arbeiten.
Die Qual der Wahl war groß: eins zu acht war die Quote für erreichbare Angebote, elf absolvierte Panels die optimale Höchstzahl für Spitzenreiter. Doch der Jahrgang 2014 war in mehrerer Hinsicht ein besonderer: Er stand er ganz im Windschatten der vielen Überwachungsskandale der jüngeren Zeit. So war auch Edward Snowden ständig ganz nah, thematisch wie mental. Und sein Konterfei fand Entsprechung im gelungenen Artwork, die einen einzelnen Rechercheur, umschlungen von Geheimdienst-Krakententakeln, zeigt, der aber wohl bald unerwartete Solidarität von Kollegen erfährt.
Das wirkt auf Plakaten wie Programmheften, nur das heilige Liverpooler Fußballcredo „You’ll never walk alone“ wirkt leicht blasphemisch, trifft aber den Geist der Masse der jungen, zornigen Generation, die sich hier in Überzahl um die zahlreichen Recherchegurus schart. Von denen waren einige als Zugpferde da, meist im Mehrfacheinsatz und ganzzeitig anwesend. So interviewte Georg Mascolo die 77-jährige, überaus witzige Reporterlegende Seymour Hersh. Der deckte 1969 das Massaker im vietnamesischen Son My und 2004 die Haftbedingungen in Abu Ghraib auf und sorgte für maßgebliche Wandel im öffentlichen Bewusstsein.
Kein Hubschrauber für ADAC-Auster
Weitere große Namen zählen in Hamburg zum Stammpotential: Günter Wallraff, Hans Leyendecker, Stefan Niggemeier, Jacob Augstein, Carolin Emcke, aber auch Antonia Rados, RTL-Auslandsikone, die die Eröffnungsrede am Freitagmorgen hielt. Das war folgerichtig, spielten doch auch die aktuellen Konflikte eine große Rolle: sowohl die medialen Verzerrungen in der Ukraine als auch in Syrien waren Thema.
Und der ADAC war gleich zweimal preiswürdig: Er gewann am Samstag die „Verschlossene Auster“ als dreistester Informationsblockierer des Jahres für sein Verhalten nach den Enthüllungen über Manipulationen beim „Gelben Engel“ – jenem schick manipulierten Autopreis, bei dem der Sieger immer Deutschland heißt. Bei der Preisverleihung im Januar hatte Karl Obermair, der damalige Geschäftsführer des als Verein getarnten Konzerns, die Recherchen noch eine „Schande für den Journalismus“ genannt. Zur Abholung der Auster in Hamburg war aber in München offenbar kein Rettungshubschrauber frei.
Die beiden „Schänder“ von der Süddeutschen Zeitung hatten bereits am Vortag reüssiert: Bastian Obermayer und Uwe Ritzer gewannen den „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Journalistenvereinigung für ihre umfangreichen Recherchen über den ADAC.
Andreas Herrmann
Netzinfos: http://netzwerkrecherche.org
Foto: Andreas Herrmann (noch nicht da….)
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