Archive for November 2020

DJV Sachsen zieht Fazit zu #le2111

22. November 2020

DJV Sachsen und DJV Thüringen gemeinsam für Journalist*innen vor Ort – als Ansprechpartner bei Problemen, Übergriffen und Behinderungen

Nach den Erfahrungen mit Übergriffen auf Journalisten bei den „Querdenken“-Demonstrationen am 7. und 8. November in Leipzig hatten sich der DJV Sachsen und der DJV Thüringen entschlossen, an diesem Sonnabend als Ansprechpartner vor Ort zu sein und gut erkennbar die Demonstrationen und die dort arbeitenden Reporter*innen begleitet.

Die endgültige Auswertung des Demonstrationstages ist noch nicht abgeschlossen. Vorläufig ziehen wir aber ein positives Fazit. Wir begrüßen, dass die Polizei schon im Vorfeld intensiv das Gespräch mit dem DJV gesucht hat und den Schutz von Kolleginnen und Kollegen im Einsatzkonzept auch mit dafür extra abgestelltem Personal für das Kommunikationsteam berücksichtigt hat.

Im Laufe des Tages gab es mehrfach Gespräche zwischen DJV-Vertreter*innen und Pressesprecher*innen der Polizei sowie der Bundespolizei, um kritische Situationen zu klären.

Nach wie vor schwierig ist die Frage der Legitimation von Journalistinnen und Journalisten. Der bundeseinheitliche Presseausweis wurde nicht durchgehend als alleiniges Legitimationsmittel anerkannt, sondern es wurde vereinzelt darauf bestanden, dass sich Kolleginnen und Kollegen zudem mit einem Personalausweis ausweisen.

Dies ist zwar formal korrekt, die Handhabung liegt im Einzelfall indes im Ermessensspielraum der Polizei. Wir raten daher Kolleginnen und Kollegen, stets beide Dokumente bei Demonstrationen mit sich zu führen.

Darüber hinaus wurden teilweise auch von anderen Verbänden als den vier Herausgebern des bundeseinheitlichen Presseausweises ausgestellte Ausweise anerkannt. Problematisch ist aus unserer Sicht dabei, dass nicht klar ist, nach welchen Standards die Ausweisinhaber*innen arbeiten und ob es sich dabei tatsächlich um Journalist*innen oder Aktivist*innen handelt. Dafür gilt es, Lösungen zu finden.

Im Verlauf des rund achtstündigen Demonstrationsgeschehens sind uns zwei Fälle von körperlichen Übergriffen von Demonstrationsteilnehmer*innen auf Journalist*innen bekannt geworden. Zudem wurde eine Reporterin beleidigt, bedroht und verfolgt, bis sie den Demonstrationsort verließ. In diesen Fällen haben wir den betroffenen Kolleg*innen geraten, Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten – eine Empfehlung, die aus unserer Sicht bei solchen Vorfällen grundsätzlich gilt.

Gleichzeitig wurden uns ein Fall bekannt, bei dem ein Journalist von Bundespolizisten abgedrängt wurde, als er Demonstrationsteilnehmer fotografierte. Der DJV Sachsen wird diesen Fall bei einem Gesprächstermin mit der Bundespolizei Ende November ansprechen.

„Querdenken“-Demo in Leipzig: DJV Sachsen verurteilt Angriffe auf Journalist*innen

7. November 2020

Eskalation mit Ansage / Irritierendes Verhalten der Bundespolizei / Solidarität mit Dunja Hayali

Wie befürchtet ist es nach Informationen von Kolleg*innen am Rande der „Querdenken“-Demonstration am heutigen Sonnabend in Leipzig zu Übergriffen, auch von mutmaßlich Rechtsextremen, auf Journalist*innen gekommen. So zeigt ein Video, wie ein Fotograf von mehreren Männern geschubst und geschlagen wird, bevor die Polizei eingreifen kann. Wir verteilen diese Angriffe aufs Schärfste.

„Auf diese Art Journalisten einzuschüchtern und von der Arbeit abhalten zu wollen, untergräbt einen Grundpfeiler unserer Demokratie: die freie Berichterstattung“, betont Ine Dippmann, Landesvorsitzende des DJV Sachsen. „Wir ermutigen jeden Betroffenen, solche Übergriffe zur Anzeige zu bringen und fordern die zuständigen Behörden auf, mit Nachdruck die Täter*innen zu ermitteln“, so Dippmann weiter. Sachsen ist nach Erhebungen des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) das Bundesland, in dem es mit Abstand am häufigsten zu Angriffen auf Journalisten kommt.

Mit Unverständnis haben wir zudem das Agieren der Bundespolizei auf dem Leipziger Hauptbahnhof zur Kenntnis genommen. Dort haben Beamt*innen nach Informationen betroffener Kolleg*innen versucht, diese vom Fotografieren anreisender Demonstrant*innen abzuhalten und Personalien aufgenommen. Das als Argument angeführte Hausrecht der Deutschen Bahn kann aus unserer Sicht nicht schwerer wiegen als das öffentliche Interesse am Demonstrationsgeschehen und die Berichterstattung darüber. Die An und Abreise der Teilnehmenden gehören aus unserer Sicht dazu. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei den fotografierten Personen mutmaßlich um gewaltbereite und organisierte Rechtsextreme gehandelt hat.

Auch das von der Bundespolizei angeführte Argument, der Fotograf habe ein Teleobjektiv benutzt, ist nicht geeignet, diesen von seiner Arbeit als Berichterstatter abzuhalten. Für das Fotografieren von Demonstrationsteilnehmer*innen gibt es keine Beschränkungen. Geregelt ist dagegen, welche Art von Bildern veröffentlicht werden dürfen. Die Polizei steht es aus unserer Sicht nicht zu, hier im Vorfeld einzugreifen. Dieser Sachverhalt bedarf dringend der Klärung, für die wir die zuständige Bundespolizeidirektion Pirna zum Gespräch auffordern.

Desweiteren gilt unsere Solidarität der Journalistin Dunja Hayali, deren Konterfei heute auf einem Plakat in der „Querdenken“-Demonstration in Häftlingskleidung gezeigt wurde. Die Moderatorin und Reporterin hat immer wieder das Gespräch mit Demonstranten gesucht. Sie macht aus ihrer aufklärerischen, antirassistischen und weltoffenen Haltung keinen Hehl und riskiert damit bewusst Anfeindungen. Auch hier gilt: Wer unliebsame Journalist*innen ins Gefängnis stecken will, verlässt den Boden des Grundgesetzes.